viernes, 21 de mayo de 2010

Artenschutz auf den Kanaren per Gesetz drastisch eingeschränkt


Michaela Enzmann
Kanaren schützen im Jahr der Biodiversität 260 Arten weniger
Das Jahr 2010 wurde von der Generalversammlung der UNO zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Dem zum Trotz wird auf den Kanaren der Artenschutz per Gesetz verringert. Am 19. Mai 2010 ist im kanarischen Parlament das Gesetz für einen neuen Artenschutzkatalog verabschiedet worden. Der neue Katalog streicht fast 90 Arten und 170 Arten wurden in der Kategorie herabgesetzt. Von Wissenschaftlern, Fachleuten und beiden kanarischen Universitäten wird dieses Gesetz abgelehnt. Umweltschützer werfen der kanarischen Regierung vor, mit dem neuen Gesetz umstrittenen Bauvorhaben, wie dem Hafen von Granadilla, die Bahn frei machen zu wollen.

Der Gesetzesentwurf für den neuen Artenschutzkatalog wurde von Politikern der konservativen Partei Coalición Canaria eingereicht. Auf die Mitwirkung von anerkannten Fachleuten, Wissenschaftlern, Biologen wurde dabei verzichtet. Bis jetzt ist nicht bekannt geworden, wer genau den Entwurf erarbeitet hat. Mitarbeiter des kanarischen Ministeriums für Umwelt haben allerdings bestätigt, dass die von ihnen erarbeiteten Kriterien für die Auswahl und Kategorisierung der Arten nicht in den neuen Katalog eingeflossen sind. Sogar 13 Gemeinden und die Inselverwaltungen (Cabildos) der Inseln El Hierro, La Gomera, Fuerteventura und Gran Canaria hatten sich gegen den neuen Artenschutzkatalog ausgesprochen. Trotzdem kam das Gesetzt zur Abstimmung und wurde durch die Stimmen der beiden konservativen Parteien Coalición Canaria und Partido Popular durchgesetzt.

Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat in einem Brief an den kanarischen Präsidenten, Paulino Rivero, ihre Besorgnis darüber ausgesprochen, dass durch den neuen Katalog 50 % der kanarischen Arten in ihrer Schutzkategorie herabgestuft oder gar aus dem Katalog ausgeschlossen werden.

Die IUCN und andere Organisationen bemängeln an dem neuen Artenschutzgesetz eine neu geschaffene Kategorie, die es so in keiner anderen autonomen Region Spaniens und auch in keinem anderen europäischen Land gibt. Die Kategorie „Arten von besonderem Interesse für die kanarischen Ökosysteme“ schützt Pflanzen und Tieren nur dann, wenn sie sich in einem Naturschutzgebiet aufhalten. Fliegen, schwimmen oder bewegen sie sich in einen anderen Bereich, wachsen oder gebären sie außerhalb, stehen sie nicht mehr unter Schutz. Außerdem verlieren Arten dieser Kategorie, wenn ein „allgemeines Interesse“ besteht, ihren Schutz auch, wenn sie innerhalb eines Naturschutzgebiets leben.

Die Geschichte hinter der Geschichte: Der Hafen von Granadilla
Der Hafen von Granadilla ist ein Bauvorhaben von „allgemeinem Interesse“, das konnte die kanarische Regierung der EU-Kommission zumindest glaubhaft machen. Dem Beginn der Bauarbeiten stand nur noch eine Seegraswiese im Weg. Das Seegras (cymodocea nodosa) gehörte bisher zu der Kategorie von Arten, die empfindlich auf Veränderungen der Umgebung reagieren. Da so ein Hafenbau sehr viel Veränderung mit sich bringt, war der Bau des Hafens von der EU (nach jahrelangem Ringen) nur genehmigt worden mit sehr umfangreichen und kostspieligen Kompensationsmaßnahmen zum Schutz dieser Seegraswiese. Im Februar 2009 ordnete der kanarische Umweltminister per Dekret an, das störende Seegras aus dem seit 2001 bestehenden Artenschutzkatalog zu streichen, um das lästige Hindernis endlich aus dem Weg zu räumen. Dagegen erwirkte die Umweltorganisation Ben Magec eine einstweilige Verfügung, so dass die Bauarbeiten – noch kurz vor Beginn – gestoppt wurden. Im Juni 2009 bestätigte der oberste Gerichtshof der Kanaren den Baustopp mit der Begründung, dass der Bau die Gefahr von irreversiblen Schäden an der Seegraswiese und einen Umweltschaden unkalkulierbaren Ausmaßes hervorrufen könnte.

Im Oktober 2009 reichte dann die regierende Partei Coalición Canaria die Gesetzesinitiative für den, jetzt verabschiedeten, neuen Artenschutzkatalog ein. Das Seegras ist nun in der umstrittenen neuen Kategorie angesiedelt und damit kein Hindernis mehr für den Bau des Hafens von Ganadilla.

Artenvielfalt der Kanaren und weltweit
Die Kanaren sind eine der wichtigsten Zonen der Erde in Bezug auf botanische Vielfalt. Daher nennt man sie im Volksmund auch „Galapagos der Pflanzen“. Vor allem verfügen die kanarischen Inseln über viele Arten, die sonst nirgendwo vorkommen. Die Hälfte der endemischen Flora und 40 % der an Land lebenden wirbellosen Tierarten Spaniens sind auf den Kanaren heimisch. Die Inselgruppe ist außerdem die endemitenreichste der Makaronesischen Inseln. Viele der Arten aber sind bedroht.

Schon im Jahr 2001 wurde daher ein Artenschutzkatalog unter Mitwirkung von Wissenschaftlern erstellt und per Dekret verabschiedet. Die Lage der darin aufgeführten Arten ist gleich geblieben oder hat sich sogar verschlechtert. Also gibt es keinen Grund den Artenschutz zu verringern. Dagegen spricht auch der neueste UN-Bericht zur Lage der Biologischen Vielfalt vom 10. Mai 2010. Demnach ist keine Trendwende im Rückgang der biologischen Vielfalt auf der Erde zu verzeichnen. Das „auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2002 in Johannesburg vereinbarte Ziel, bis zum Jahr 2010 den weltweiten Verlust an biologischer Vielfalt entscheidend zu verlangsamen ist nicht erreicht worden.“

Was Griechenland mit Spanien gemein hat
Wie Griechenland ist auch Spanien ein Land, das die EU heftig geschröpft hat und die Kanaren haben dabei ein sehr großes Stück vom Kuchen abbekommen, da sie auf Grund ihrer Randlage besonders begünstigt wurden. Die kanarische Regierung hat es sich zur Aufgabe gemacht in Europa und auch bei der spanischen Regierung zu betteln und sich als besonders bedürftig darzustellen. Ziel war aber nicht das Beste für die arme Bevölkerung (auf den Kanaren betrug die Arbeitslosigkeit im 1. Quartal 2010 27 %) zu erreichen, sondern der Bauindustrie Aufträge zu beschaffen, die aus dem spanischen und europäischen Gemeinschaftstopf finanziert werden. Die Bauindustrie wird neben dem Tourismus als Motor der Wirtschaft angesehen, daher geht es nicht so sehr darum sinnvolles zu bauen, sonder einfach zu bauen. Ein Beispiel dafür ist der Industriehafen von Arinaga auf Gran Canaria. Er wurde von der EU mit 11 Millionen Euro mitfinanziert. Seit 2005 ist er fertig gestellt, aber bis heute findet dort keinerlei Hafenaktivität statt. Außer einem Flüchtlingsboot hat dort nur einmal testweise eine Fähre angelegt. Auf der Internetseite der Hafenbehörde steht bis heute, dass der Hafen von Arinaga für den zukünftigen Massengutverkehr und für RoRo-Schiffe vorbereitet ist – fünf Jahre nach seiner Fertigstellung!
Es stellt sich die Frage, wozu Teneriffa neben dem schon bestehenden Industriehafen in der Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife einen zweiten Hafen braucht, wo nur 100 Kilometer weiter auf Gran Canaria ein Hafen ungenutzt auf Arbeit wartet. Übrigens: auch Gran Canaria hat (in Las Palmas) schon einen funktionierenden Industriehafen. Mit dem Bau eines weiteren Hafens auf Teneriffa würden EU-Gelder im wahrsten Sinne des Wortes ins Meer geschüttet werden. Daher ist die Verabschiedung des neuen Artenschutzkatalogs auf den kanarischen Inseln nicht nur ein umweltpolitisches sondern auch ein wirtschaftliches Thema, das ganz Europa angeht.
Ausführliche Internetseite zum Thema: www.nodescatalogacion.com (spanisch)